Lexikon
Orchideen
Viele von euch kennen Orchideen - meistens von Omas Fensterbank. Dort wachsen sie im Topf und am liebsten möchte man sie anfassen, um festzustellen, ob sie wirklich echt sind. Denn mit ihren schlanken Stielen und den großen Blüten wirken die Blumen von der Fensterbank immer ein wenig künstlich. In der Natur jedoch sind Orchideen Pflanzen von großer Vielfalt und mit ganz besonderen Eigenschaften. 30.000 wildwachsende Orchideen-Arten gibt es weltweit. Höchste Zeit, sie näher kennenzulernen!
Weltenbummler mit cleveren Überlebenstricks
Orchideen gibt es fast überall auf der Welt. Sie wachsen im tropischen Regenwald, in den Alpen, in skandinavischen Sümpfen oder auf den Wiesen deutscher Mittelgebirge - direkt vor deiner Haustür. Um in so verschiedenen Lebensräumen zu gedeihen, haben Orchideen eine Menge Tricks auf Lager. Und diese Tricks sind ziemlich erfolgreich: Wissenschaftler haben herausgefunden, dass es schon Orchideen gab, als noch Dinosaurier über die Erde trampelten - nämlich vor mindestens 80 Millionen Jahren.
Duftspezialisten
Eine der besten Ideen aus der Trickkiste der Orchideen ist ihre Fähigkeit zur Täuschung. Die bei uns heimische Bocksriemenzunge zum Beispiel stinkt wie ein Ziegenbock. Nachtfalter finden den Duft jedoch unwiderstehlich und besuchen die Blüten in Scharen. Andere Orchideen ahmen die Duftstoffe paarungsbereiter Wildbienen nach oder verströmen einen starken Geruch nach Vanille. Und wozu das alles? Klar: Um selbst bestäubt zu werden. Denn: Nur bestäubte Blüten können Samen bilden und sich vermehren.
Die Blüte der Fliegenragwurz zum Beispiel sieht aus wie ein Insekt - und kann den Lockduft der Grabwespen-Weibchen so täuschend echt nachahmen, dass männliche Grabwespen den Trick erst bemerken, wenn sie schon auf der Blüte gelandet sind. Die Pollen der Orchidee bleiben am Wespenkörper haften und werden per Luftkurier zur nächsten Blüte gebracht. Bestäubung durch Täuschung - ganz schön clever.
Freundschaft für's Leben
Damit die Samen der Orchideen sich mit dem Wind gut ausbreiten können, sind sie besonders klein und leicht. Dafür nimmt die Natur aber in Kauf, dass die Samen überhaupt keine Nährstofflager enthalten. Sie können also gar nicht selbstständig keimen. Doch auch hierfür gibt es eine clevere Lösung: Ein Bodenpilz ist als Retter in der Not zur Stelle und versorgt den kleinen Keimling mit den nötigen Nährstoffen. Das heißt: Nur dort, wo ganz bestimmte Pilzarten im Boden wachsen, können auch Orchideen keimen.
Luftiger Wohnort
Die meisten Orchideenarten gibt es in den Tropen, viele davon im tropischen Regenwald. Was eigentlich komisch ist, denn wegen der dichten Baumkronen kommen am Waldboden kaum noch Licht, Wasser und Nährstoffe an. Weshalb die Orchideen des Regenwaldes auch gar nicht erst auf dem Boden wachsen, sondern auf den Bäumen. Hoch oben im Geäst der Urwaldriesen sitzen sie auf den Astgabeln und fangen mit ihren langen Wurzeln Regen und Nährstoffe aus der Luft ein - und genügend Sonnenlicht bekommen sie dort auch. Solche trickreichen Gewächse nennt man "Epiphyten" oder "Aufsitzerpflanzen".
Orchideen in Deutschland
Auch in Deutschland gibt es Orchideen - wohl knapp 60 verschiedene Arten. Die meisten sind jedoch so selten, dass viele Menschen noch nie eine wild wachsende Orchidee gesehen haben. Alle Orchideen stehen bei uns deshalb unter Naturschutz und dürfen nicht gepflückt werden.
Warum sind Orchideen bei uns selten?
Orchideen sind bei uns selten, weil es in Deutschland kaum Flächen gibt, die nicht intensiv genutzt werden. Aus ehemaligen Lebensräumen für Orchideen werden Äcker und Weiden, andere sind von Nutzwald überwachsen, an wieder anderen wird gebaut. Da hilft auch die beste Trickkiste nichts mehr.
Neue Lebensräume
Doch es gibt auch gute Nachrichten: Überall dort, wo die Menschen die Natur sich selbst überlassen, können neue Lebensräume für Orchideen entstehen. In ehemaligen Steinbrüchen, Sand- und Kiesgruben, auf alten Industrieanlagen und sogar am Wegesrand finden Blumenfreunde immer wieder neue Vorkommen seltener Orchideen - direkt vor deiner Haustür.