Lexikon
Die Idee vom Fliegen
Der Menschheitstraum vom Fliegen
Fliegen können. Einmal ein Adler sein! Der Deutsche Otto Lilienthal gilt als der erste wirkliche Flugpionier der Menschheit. Er veröffentlichte 1889 sein Buch „Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst“, welches heute als wichtigste flugtechnische Veröffentlichung des 19. Jahrhunderts gilt. Dann, in den neunziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts erfolgten nach und nach erste Flugversuche mit über 20 selbstentwickelten Flugapparaten durch ihn und seinen Bruder Gustav. Darunter waren solche, die nur passives Gleiten zuließen, und auch solche, die aktives Flügelschlagen ermöglichen sollten (was aber nicht gelang).
Menschliche Flugpioniere
Otto Lilienthal war ein maßgeblicher Wegbereiter des modernen Forschungsgebietes der „Bionik“ (Kunstwort aus „Biologie“ und „Technik“), welche die Wirkprinzipien der Natur für neue Erfindungen und deren technische Weiterentwicklung nutzt. Und er befindet sich damit bereits in der Tradition großer Erfinder in der Geschichte, etwa Leonardo da Vinci (15. Jahrhundert), der sich auch bereits intensiv mit der Natur des Fliegens beschäftigte. Otto Lilienthal ereilte das gleiche Schicksal wie einst in der Sage Ikarus: Er kam bei einem seiner Flugversuche ums Leben (s. Kasten). Doch er zeigte den Menschen, dass ein ewiger Menschheitstraum in Erfüllung gehen konnte, dass der Mensch tatsächlich fliegen kann! Nach den Lilienthal-Brüdern setzte eine stürmische Entwicklung ein: Das Zeitalter der Fliegerei hatte begonnen. Den Gebrüdern Wright gebührt dann der Ruhm, als Erste ein voll steuerbares, dauerhaft fliegendes, motorgetriebenes Flugzeug entwickelt zu haben.
Die Flugfähigkeit von Lebewesen ist viele Male neu erfunden worden
Insekten und Vögel, fliegende Fische, Gleithörnchen und fliegende Echsen, fliegende Hunde und Kolibris, Fledermäuse und Libellen: Die Flugfähigkeit ist in der Natur nicht einmal, sondern viele, viele Male unabhängig von einander entwickelt worden.
Insekten



Am Vielfältigsten ist das Fliegenkönnen in der großen Gesellschaft der Insekten entwickelt. Tatsächlich sind die Insekten mit 300 - 400 Millionen Jahren im erdgeschichtlichen Devon die ersten Flieger. Da gibt es Zweiflügler (Fliegen) und Vierflügler (Libellen), Hautflügler (Bienen) und Schuppenflügler (Schmetterlinge). Die Federgeistchen (Alucitidae) z. B. sind eine Familie der Schmetterlinge. Sie fliegen mit primitiven Flügeln aus haarigen Borsten. Die Struktur des Flugapparats erinnert an einzelne Vogelfedern. Federgeistchen werden auch die Angehörigen der Gattung Pterophorus genannt, die aber zur Familie der Federmotten (Pterophoridae) gehören. Stell dir vor, du wärst so klein und leicht wie ein Federgeistchen (ca.1,2 cm). Dann hättest du vermutlich das Idealgewicht, um mit relativ einfachen Flügeln fliegen zu können, wie ein Federgeistchen. Im Verhältnis zu deinem Körpergewicht fühlte sich die Luft nämlich dicker an und wäre somit tragfähiger, fast so wie sich für uns Menschen Wasser anfühlt, in dem wir ja wunderbar schwimmen und tauchen - uns also dreidimensional im Raum bewegen - können.
„Luftschiffen“ als Ausbreitungsstrategie bei Spinnen
Zwergspinnen (Linyphiidae) sind eine Familie der Spinnen mit max. 3 Millimetern Größe, die weltweit verbreitet ist und die ganz unterschiedliche Lebensräume aller Klimazonen besiedelt. Mit Hilfe eines „Flugfadens“ lassen sie sich vom Wind verfrachten (ballooning), vom "Altweibersommer" bis in den Winter hinein zu Abertausenden. Sie erreichen dabei mehrere Tausend Meter Höhe und treiben so mehrere hundert Kilometer weit. Diese Tiere bilden einen Teil des "Luftplanktons" (in Analogie zum Meeresplankton) und sind u.a. Nahrungsgrundlage für Schwalben, Segler und Fledermäuse.
Fledertiere
Fledertiere sind die einzig lebenden Säugetiergruppen, die sich den Luftraum erobert haben. Sie sind zu aktivem Flug fähig, der über das bloße Gleiten hinausgeht. Zu den Fledertieren gehören die Unterordnungen der Fledermäuse und die wegen ihres Aussehens so bezeichneten Flughunde. Während die Fledermäuse mit ihren leistungsfähigen Echo-Ortungsystemen nachts Insekten jagen, sind unter den Flughunden auch Arten, die sich überwiegend vegetarisch ernähren.
Vögel

Vögel haben sich aus ehedem flugunfähigen Sauriern entwickelt, die bereits über ein Federkleid zur Thermoregulation verfügten. Diese hatten nichts mit den berühmten Flugsauriern (z.B. Pteranodon) zu tun! Vögel gelten also als echte Nachfahren eines bestimmten Typus der Saurier. Diese nutzten anfänglich die Schwingenfedern zum Steuern beim schnellen, zweifüßigen Laufen. Die Flugsaurier dagegen sind ausgestorben. Der im Kalksteinbruch der „Grube Messel“ in Deutschland erstmals gefundene Archaeopteryx wird als eine Weiterentwicklung der theropoden Dinosaurier (einer Ordnung der Saurier) und Entwicklungsform hin zu den „modernen“ Vögeln angesehen. Er war bereits voll flugtüchtig gewesen. Die heutigen modernen Formen von flugunfähigen Vögeln haben die Flugfähigkeit zugunsten anderer Fähigkeiten oder wegen des Fehlens von Feinden wieder aufgegeben (z.B. Pinguine, Kiwi, Strauße).