Lexikon
Von Märchen, Sagen und Wesen des Waldes
Der Wald als Stoff für Märchen und Sagen. Welche Märchen kennst du, in denen der Wald eine wichtige Rolle spielt? Warum der Wald in unserer Vorstellung oft als finster und unheimlich dargestellt wird und welche Rolle Bäume in anderen Kulturen spielen, erfährst du hier.
Sagenumwobener Wald – Der Wald als Vorlage für Märchen
Viele Märchen und Geschichten ranken sich um den Wald.
Bei Hänsel und Gretel zum Beispiel, versuchen die Eltern die Geschwister in den Wald zu führen, so dass sie sich dort verirren und niemals wieder zurückfinden.
Auch Rotkäppchen muss durch den finsteren Wald, um der Großmutter Kuchen und Wein zu bringen.
Der Mensch war schon immer sehr eng mit dem Wald verbunden. Der Wald liefert dem Menschen Feuer- holz und Holz zur Herstellung von Werkzeugen, Bau- material, Möbeln und Papier.
Früher hat man sich noch im Wald mit allem selbst versorgt. Frauen und Kinder gingen in den Wald, um dort Beeren, Früchte und Heilkräuter zu sammeln. Die Bauern haben ihr Vieh zur Waldweide in den Wald getrieben. Dort fand es ausreichend Eicheln, Bucheckern, Kräuter, Knospen und Pilze zum Fressen.
Wie sind die Sagen und Märchen entstanden?
Früher waren die Ortschaften umschlossen von lauter Wald, heute hingegen ist es umgekehrt: der Wald ist nun umschlossen von menschlichen Siedlungsgebieten, Feldern, Wiesen und anderen, vom Menschen genutzten Flächen.
Der Wald war vielen Menschen sehr unheimlich. Denn einige Tiere machen schaurige Geräusche, die die Menschen nicht zuordnen konnten. Sie dachten es wären Geister oder andere unheimliche Wesen, die dort ihr Unwesen treiben und ihnen auflauern würden. Auch Räuber, die Reisende im Wald über- fielen, trugen dazu bei, dass viele Schauerge- schichten erzählt wurden.
Vieles beruhte damals auf Unwissenheit. Die Leute versuchten sich alles, was sie nicht begreifen, ver- stehen und nachvollziehen konnten, zu erklären. Auch gab es damals weder Fernseher noch Radio und schon gar kein Internet. Lesen konnten nur die wenigen reichen, gebildeten Menschen der Ober- schicht und natürlich die Geistlichen in den Klöstern.
Nicht nur die Stimmen der Tiere im Wald regten die Fantasie der Menschen an, sondern auch unheim- liche Geräusche. So führten dann zum Beispiel das Knarzen alter Bäume oder das Rascheln der Blätter im Wind zu neuem Märchenstoff, der dann mündlich weiterverbreitet wurde.
Besonders die Schatten und Umrisse alter, knorriger Bäum im Mondlicht ließen viele Leute erschaudern, man sah in ihnen schreckliche Kreaturen und hielt sie für Lebewesen. Tatsächlich gibt es einige Bäume, die eine besondere Wuchsform aufweisen. Lies dazu auch die Infokästen am rechten Rand.
Mystische Bäume können unter anderem sein: die Trauerweide, die mächtige Eiche, die aufgrund ihrer Größe und ihres Alters, das sie erreichen kann, als Sinnbild für die Ewigkeit steht.
Hast du vielleicht auch schon einmal solch einen Baum gesehen?
Anders als in Deutschland, wo die meisten Geister des Waldes als bösartig betrachtet werden, gibt es in anderen Kulturen auch sehr viele gutmütige Fabelwesen und Waldgeister.
Heilige Bäume und Geister in Asien
Thailand ist das Land des Lächelns und die Welt der Baumgeister. Hier sind Bäume nicht einfach nur Bäume, sie sind Wesen mit einer Seele. In Ihnen wohnen die sogenannten „Phi ton mai“ Geister.
Ob in einem Baum eine Seele anwesend ist, wird von buddhistischen Mönchen bestimmt. Sie entscheiden also darüber, ob ein Baum gefällt werden darf oder nicht.
Es kam sogar schon einmal vor, dass ein Straßenbau-Projekt lahm gelegt wurde, weil die Bäume in diesem Gebiet alle eine Seele hatten.
Man erkennt die Unantastbarkeit eines Baumes an den vielen bunten Tüchern, die um den Stamm gewickelt sind. Außerdem findet man am Fuße des Baumes oft Tempelhäuschen und Opferschalen.
In Indien gibt es einen bestimmten heiligen Baum: den Bo-Baum. Er spielt im Buddhismus und im Hinduismus eine große Rolle. Er wird auch der „Baum der Schöpfung“ genannt. Durch seine Heiligkeit wird der Bo-Baum unsterblich. Die ältesten Bäume wurden nach Sagen und Erzählungen vor über 2000 Jahren gepflanzt.
Es ist streng verboten den Bo-Baum zu fällen oder Teile von ihm als Brennholz zu verwenden. Sollte es doch jemand wagen und damit die Götter verärgern, wird das Unglück über ihn und seine Familie kommen, heißt es.
In jedem indischen Dorf wächst in der Nähe von Tempeln ein Bo-Baum. Um dort Sitzungen und Medi- tationen abzuhalten sind um ihn herum Plattformen aus Lehm gebaut.
Es gibt viele verschiedene Arten der Anbetung. An bestimmten Tagen des Monats wird der Bo-Baum in Nordindien zum Beispiel nur von Frauen angebetet. Sie geben dann zum Beispiel Blumen als Opfergabe und gießen Wasser oder Milch auf seine Wurzeln. Dann umrunden die Frauen den Baum genau 108 mal. Dabei wickeln sie ein buntes Tuch um den Stamm und beten. Der Baum verkörpert eheliches Glück und Liebe.